Donnerstag, 1. Oktober 2009

Psalmen-Arbeitsgruppe in Dessau gegründet






Jeder Jude (Tanach) und Christ (Altes Testament) kennt sie – die Psalmen, eine kanonisierte Sammlung von 150 Gebeten, Liedern und Gedichten. Außerhalb des kanonisierten Psalmenbuches gibt es weitere biblische Psalmen, wie z.B. das koptisch-manichäische Psalmenbuch welches z.B. auch in altorientalischen Kirchen und der Weltloge Tanatra eine gewisse Bedeutung erlangte. In den Höhlen von Qumran wurden bekanntlich weitere Psalmen gefunden.

Heute traf sich zum zweiten Male eine Arbeitsgruppe in der Dessauer Pauluskirche – angeregt durch die Kantorin Christa Müller – die Dessauer Interessierte die Psalmen näher bringen möchte. Die Leitung der monatlich stattfinden sollenden Seminare übernahm dankenswerte Weise der evangelische Pfarrer Martin Günther.

Man hat sich viel vorgenommen, sollen doch im Laufe der Zeit fast alle Psalmen behandelt werden. Das heutige Seminar an dem ich auch teilnahm war dem wohl bekanntesten und beliebtesten Psalm 23 gewidmet. In populärer Art versuchte Pfarrer Günther uns den 23. Psalm nahe zu bringen, ihn Schritt für Schritt textlich zu erschließen, dies auch mit Hilfe von Frage- und Antwortspielen und einer Bildexegese einer Grafik von Marc Chagall. Eine sehr persönliche Sicht auf den Psalm 23 vermittelte uns Christa Müller, indem sie einen Aufsatz vorlas in welchem sie den Psalm mit einem Abschnitt ihres Lebens verband. Was nun allerdings zu kurz kam, dies war die wissenschaftliche Aufarbeitung des Psalms, sowohl in theologischer wie historischer Hinsicht. Da ich selbst zwischen Gefühl und Wissenschaft schwanke, war mir zwar die Deutung des Psalms in eine arkadische Welt sehr recht, siehe meine Kolumne hier im Blog (
http://barrynoa.blogspot.com/2008/04/bn-und-die-bukolik.html) als ich den 23. Psalm mit der 5. Idylle von Theokrit verglich und Parallelen sah und dies ja auch der Theologe Ludwig Köhler so sieht, aber dennoch sagte mir die Ratio, dass es wohl doch eher die Psalmenexegesen eines Erich Zenger oder Willi Schottroff seien, die am wissenschaftlichsten sind.

These von Ludwig Köhler:
Er deutet die Bildersprache des Psalms 23 vor dem Hintergrund des Weidewechsels. In der orientalischen Landschaft existieren nur „insulare“ Weideflächen. Ist die Wiese abgegrast, muss die Herde zum nächsten Weideplatz geführt werden. Zwischen den einzelnen „grünen Auen“ liegen oft gefährliche Wege („und ob ich schon wanderte im finsteren Tal“). Die Qualität eines Hirten erweist sich vor allem darin, seine Herde „auf rechter Straße zu führen“. Dieser Psalm beschreibt das menschliche Leben als Weg: auch da, wo der Weg an ein Ende zu kommen scheint, führt er trotzdem weiter. Der Psalmist vertraut seinem Hirten völlig und weiß sich sogar in der „Todesschattenschlucht“ („im finsteren Tale“) bei ihm geborgen. Allein das Erblicken des spezifischen Hirtenstabs (jeder Hirte hatte einen besonders geschnitzten Stab) ermutigt und hilft gegen die Angst.

These von Erich Zenger:
Nach
E.Z. wurde der Psalm ursprünglich nicht als Danklied bei eine Opfermahlsfeier im Tempel gesungen, sondern als Vertrauensgebet verwendet.


These von Willy Schottroff:
W. S. meint, dass der Wortlaut ursprünglich auf ein Lob- und Danklied eines Flüchtlings im Jerusalemer Tempelasyl verweist. Die individuelle Erfahrung wurde im Psalter Israels aufbewahrt und wurde so zu einem wirklichen Volkslied. Weil Israel sich mit dem Ich gemein weiß, ist dieser Psalm und sind die Psalmen Teil der Tradition und des Gebetbuches Israels.

Einige Exegeten nehmen an, dass im Psalm 23 zwei ursprünglich eigenständige Psalmen miteinander kombiniert worden sind: „JHWH, der gute Hirte“ und „JHWH, der freundliche Gastgeber“. Andere Wissenschaftler bestreiten das.

Sei es wie es sei, jedenfalls tritt mit dem 23. Psalm das Bild des guten Hirten - für den Christen auf Jesus Christus bezogen - der wie ein arkadischer Schäfer uns ganz persönlich wie ein zu betreuendes Schaf auf seine Schultern nimmt, letztendlich zum Vorschein, ein Motiv in der Ikonographie und der Kunst welches nicht mehr weg zu denken ist, siehe mein künstlerischer Beitrag dazu am Anfang der Abbildungen (weitere Fotos von Steve Neumann zeigen einen Ausschnitt aus dem heutigen Seminarnachmittag) mein Oelbild des „Guten Hirten“ in welchem christliche und arkadische Momente ineinander fliessen.

Hier nun noch einmal der Text des 23. Psalms in der Lutherübersetzung von 1984. Diese Übersetzung halte ich für die gelungenste deutsche Übersetzung, auch wenn anzumerken ist, dass vom wissenschaftlichen Standpunkt die in der katholischen Kirche derzeit gebräuchliche Einheitsübersetzung wohl die wissenschaftlich genaueste ist da sie dem hebräischen Urtext am nächsten kommt:

Ein Psalm Davids. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn Du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

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