Rechtsextremisten mißbrauchen den Trauermarsch regelmäßig um auch noch für ihre heutigen Ziele zu demonstrieren, verbinden in ihrem Aufruf zu dem Trauermarsch ihre Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen und die von der Stadt hofierte Gegenbewegung mißbrauchte auch 2015 wieder den Trauer-und Gedenktag politisch für den Kampf gegen Rechts und es fanden wieder diese geschmacklosen „bunten Bühnenprogramme“ und „kulturellen Veranstaltungen“ statt - ausgelassenes Trallala statt Trauer!
Hat etwa von den gestrigen Akteuren niemand mehr Opfer in seiner Familie zu beklagen oder ist kein Haus in deren Familienbesitz damals in Flammen aufgegangen? Scheinbar sind es alles Zugezogene, die keinen persönlichen Bezug mehr zu dem Inferno haben, sonst würden sie wohl nicht an derartigen Aktionen teilnehmen, sondern nur still der Opfer gedenken.
Ich gedachte u.a. gestern meiner Urgroßmutter, die als eine der wenigen sich aus ihrem in Flammen stehenden Haus retten konnte. Dieses Haus, ein 6-Familienhaus in der Törtener Straße, im Besitz meiner Urgroßeltern, konnte nie wieder aufgebaut werden. Die gesamte Existenz meiner Urgroßmutter war dahin und als ehemals vorlaute Frau, war sie durch die Schrecken der Bombennacht ab sofort bis zu ihrem Tode ihrer Sprache beraubt. Sie sprach nie mehr ein Wort, wahrscheinlich ein Trauma, das sich nie wieder löste, da nach dem Krieg es keine psychologische Behandlung gab. Ganz schlimm, das Schicksal des kleinen Mädchens, die es aus einem brennenden Haus hinaus geschafft hatte, die dann aber in den kochenden Asphalt fiel und darin qualvoll verschmorte. An solche Opfer haben wohl diejenigen nicht gedacht, indem sie „bunte Bühnenprogramme“ an einem solchen Tag veranstalteten oder besuchten?
Eines muß man den Verantwortlichen in Dessau zu DDR-Zeiten lassen, sie begingen diesen Trauer-und Gedenktag würdig, im Gegensatz zu heute! Dazu braucht man bloß in alten Dessauer Kalendern blättern, einer offiziellen Publikation der Stadt Dessau. Der 7. März 1945 nimmt darin immer einen breiten Raum ein, sei es mit Fotos der zerstörten Stadt oder mit Schilderungen von Opfern der Bombennacht, siehe die Scans. Und es wird Klartext geredet, die Bombenangriffe der Angloamerikaner kurz vor Kriegsende als nicht militärisch erforderlich geschildert, sondern als Kriegsverbrechen. So schreibt Kurt Hoyer im Dessauer Kalender von 1968 von einem "Terrorangriff" betreffs des 7. März in Dessau, oder Hans Harksen im Dessauer Kalender von 1970 von der Bombardierung als "militärisch sinnlos und barbarisch", siehe Scans, und auch in vielen anderen Publikationen aus der DDR-Zeit wird allgemein immer vom "Luft-Terror" gegen die Zivilbevölkerung oder von angloamerikanischen "Luftgangstern" gesprochen, was da von Seiten Englands und der USA ausging.
War die antifaschistische Geschichtsauffassung der DDR etwa rechtslastig? Auf keinen Fall! Nur ist man jetzt der bundesrepublikanischen, d.h. westdeutschen Geschichtsklitterei verfallen, welche die westlichen Alliierten, die jahrzehntelang Westdeutschland nach dem Krieg dominierten, von Schuld frei sprechen will, man all die Kriegsverbrechen der Angloamerikaner als zwangsläufige Folge und Antwort der Kriegsverbrechen der Deutschen darstellt.
Das Dessauer Ehrenmal für die Opfer des 7. März 1945
Heute, einen Tag nach dem 7. März, dem 70. Jahrestag der fast vollständigen Vernichtung Dessaus, da besuchte ich mal das Dessauer Denkmal für die Opfer des 7. März 1945, wollte mal schauen wer da Kränze niedergelegt hatte von der Stadt, den Parteien und gesellschaftlichen Kräften und wer nicht. Ich dachte, ich sehe nicht recht! Kein einziger Kranz, kein einziger Blumenstrauß, noch nicht mal vom Rathaus oder einer der Parteien. Soviel Mißachtung der Opfer hätte ich nicht erwartet. Auch von der sich als neue Kraft verkaufenden Partei "Alternative für Deutschland", die Abgeordnete im Stadtrat hat, nichts! Stattdessen ein Aufruf im Amtsblatt von dieser Truppe an die Bevölkerung: „...und rufen hiermit alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dessau-Roßlau auf sich am 7. März 2015 an der Menschenkette sowie an den friedlichen und kulturellen Aktivitäten zu beteiligen um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass in unserer Stadt kein Platz für Extremismus in jeder Form, Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhass und Gewalt ist.“
Schäbig! Statt Kränzen - nur ein vertrockneter alter Blumentopf!
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