Montag, 24. Januar 2011
Beiträge zur anhaltischen Mundart - Teil 12: Leo Löwenthal
Daß die Synagoge im anhaltischen Gröbzig die Nazizeit heil überstanden hatte, dies lag nicht daran, daß dort couragierte Bürger sich für den Erhalt eingesetzt hätten, gar den jüdischen Mitbürgern beigestanden hätten, nein, es lag einzig und allein daran, daß in Gröbzig schon 1934 fast keine Juden mehr wohnten und die Synagoge mit Nebengebäuden seit 1934 dem Gröbziger Heimatverein gehörte. Daß die Anhalter bessere Deutsche gewesen wären als der Rest des Volkes, dies kann man leider nicht sagen. Deutscher Fremdenhass wurde auch in Gröbzig in der Nazizeit ausgelebt, der jüdische Friedhof wurde geschändet und die Leichenhalle abgerissen. Daß die Fremdenfeindlichkeit tief in den Deutschen steckt und keineswegs auf die Nazizeit beschränkt, dies beweisen Antisemitismus, Diskriminierungen von Sinti und Roma, Überheblichkeit gegenüber anderen Völkern und Rassen, wie Polen oder schwarzhäutigen Menschen, vor und nach der Nazizeit.
Die Schändungen des jüdischen Friedhofs in Gröbzig zeigen es, sowohl in der DDR-Zeit wie auch in neuerer Zeit wütete der deutsche Mob: „Bereits in den 1980er Jahren gab es mindestens drei Friedhofschändungen. Auch im Juni 1998 wurde der Friedhof geschändet; dabei wurden 21 Grabsteine umgeworfen. Im Juni 1999 wurden bei einer erneuten Schändung 64 Grabsteine umgeworfen.“ - so nachzulesen bei http://www.alemannia-judaica.de/groebzig_friedhof.htm .
Wer meint, daß diese negativen Eigenschaften der Deutschen im Laufe der Zeit überwunden wären, muß feststellen, daß dies nicht der Fall ist. Da werden weiterhin Sinti und Roma als „Gesindel“ bezeichnet, Polen als arbeitsscheu - man spricht verächtlich von „polnischer Wirtschaft“ - und als vor zwei Jahren ein afrikanischer Asylbewerber in einer Dessauer Arrestzelle qualvoll verbrannte, da hielt sich das Mitgefühl der Deutschen in erschreckenden Grenzen - ganz im Gegenteil, da konnte man bei Gesprächen von Bürgern Sprüche hören, wie „hätte der sich anständig benommen, dann hätte man den Schwarzen nicht in Arrest genommen und er wäre nicht verbrannt!“ Fragt sich da wer da das Gesindel ist, Sinti und Roma oder diese Deutschen? Anständig benommen? Meint man da den preußischen Kadavergehorsam während der Nazizeit oder der SED-Zeit? Da hielt man wahrscheinlich Millionen von ehemaligen SED-Genossen für „anständiger“ als afrikanische Asylbewerber, dies wo jeder mitbekam wie diese „Anständigkeit“ aussah – von der Krippe bis zur Bahre kollektivistisch im preußischen Ungeist reglementiert.
Der jüdische Gröbziger Kaufmann und Heimatdichter Leo Löwenthal hatte das Glück der frühen Geburt und des frühen Todesdatums (1855-1925), so mußte er die extremen Diskriminierungen und die Vernichtungen gegenüber „Nichtariern“ der Nazizeit nicht erleben, aber auch er berichtet von der ständigen Mißstimmung der Deutschen gegenüber ihren jüdischen Mitbürgern. Leo Löwenthal der „Nichtarier“ war größerer Heimatfreund als die meisten Gröbziger. In seinen Anekdoten und Geschichten setzte er seiner Heimatstadt und der anhaltischen Mundart ein bleibendes Denkmal. Noch heute spricht man von Gröbzig von Juden-Gröbzig und dies auch in anhaltischer Mundart, „Juhn-Jreebz`ch“, und nimmt Bezug auf Leo Löwenthal und die noch erhaltene Synagoge. Dieses „Juden-Gröbzig“ kommt dann allerdings selten mal positiv herüber, die wunderbaren kulturellen Leistungen der früheren jüdischen Mitbürger würdigend oder das schriftstellerische Werk des größten Gröbziger Heimatdichters ehrend, sondern eher deutschtümelnd, abwertend.
Als Scan die Sammlung von Anekdoten und Geschichten von Leo Löwenthal: „Jreebz`jer Allerlei“ (Gröbziger Allerlei).
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