Walter Timmling liebte Jahrmärkte, Rummel und kleine Zirkusse und malte natürlich derlei Szenen. Die Jahrmärkte in den 20er und 30er Jahren hatten noch den malerischen Charme der heutigen Veranstaltungen dieser Art abgeht. Walter Timmling war geradezu süchtig nach diesen Vergnügungen des kleinen Mannes, nicht um daran teilzunehmen, sondern wie es Künstlerart ist, Farben, Geschehnisse, Menschengesichter in sich aufzusaugen, um diese dann künstlerisch zu verarbeiten.
1936 malte er eine Serie von Jahrmarktszenen in Aquarelltechnik, dies nach Besuchen auf der traditionsreichen Dresdener Vogelwiese, einem großen Jahrmarkt. Diese Aquarelle sind wunderbar, sowohl in in der Wiedergabe des damaligen Geschehens wie auch in den Farben. Von der Serie kann ich heute einige Bilder vorstellen, leider etliche nur in alten Schwarzweiß-Fotos. Zu den meisten Bildern kenne ich durch meine frühere Tätigkeit bei der Kunsthistorikerin Charlotte Timmling noch die Hintergründe. Charlotte Timmling begleitete ihren Mann bei seinen Jahrmarktbesuchen und war auch bei der Entstehung der Bilder interessierte Partnerin. Typisch auf dem ersten Bild, die Marktschreier an einer Bude, die sowohl Boxkämpfe, wie auch Kraftmeiertypen anpries. 1936 zwar nicht mehr groß in Mode, aber von ärmeren Kindern noch immer getragen, die Matrosenanzüge der Knaben und die Strohhüte der Mädchen. Dann, mit einer riesigen Kochmütze, die auffallen sollte, der Italiener mit seinem Eisstand. Damals war der Verkauf von „Lecker“-Eis noch voll in der Hand der Italiener. Deutsches Eis kam bei weitem noch nicht an die Eisqualität der Italiener heran. Drittes Bild: Zwei Knaben in kurzen Hosen und der eine hält stolz seine Eistüte, im Hintergrund ein Riesenrad, was damals überhaupt noch nicht „riesig“ war. Ja und dann das Aquarell mit den beiden Akrobatinnen, deren Gelenkigkeit damals erstaunte, diese Darbietung heute aber keinen mehr hinter den Ofen hervor locken würde. Treffend dargestellt der Mann links im Bild, den man geradezu laut schreien hört, mit viel Brimborium der Darbietung mit Worten den Nimbus einer Weltnummer gibt. Dann ein Bild mit einer Dame in der Schießbude, im Vordergrund ein Luftgewehr haltend und sie mit einer kecken Feder im schwarzen langen Haar. Die Timmlings nannten die gemalte Schießbudendame damals scherzhaft „Miß Ellinor“. Zauberhaft das Aquarell von dem Inneren einer Schaustellerbude mit einem Schlangenbeschwörer auf der kleinen in gelbem Licht erstrahlten Bühne, dazu Kinder wie sie in typischer Haltung um einen Mast herum stehen, ein Junge männlich tuend, breitbeinig, der andere Junge sich an den Mast festhaltend und das Mädchen in einem weißen Kleid, blond, mit damals weit verbreiteter Haarfrisur. Das Bild darunter, eine dieser Buden von Außen, mit Kasse, einem kraftmeierischen Marktschreier und Besuchern die im Begriff sind sich die Vorstellung in der Jahrmarktbude anzuschauen. Das letzte Bild ist eine großartige Darstellung einer Zirkusvorstellung, wie sie in einem kleinen Minizirkus früher so war, in der Mitte ein Clown mit einem Affen, der die Zuschauer in die Darbietung mit einbezieht und im Hintergrund in einem engen Käfigwagen ein trauriger Braunbär, von Besuchern begafft. Der Reiz dieses Aquarells liegt jetzt, fast 75 Jahre später, auch in den Rückansichten der Zuschauer, die erwachsenen Zuschauer mit typischen 30er-Jahre-Hüten, die Mädchen mit „deutschen“ Zöpfen und die Knaben in kurzen Hosen – ein Kleinbürgeridyll welches eine Auszeit von der „neuen Zeit“ nimmt, einer Zeit mit preußischem Drill unter dem Hakenkreuz, wo relativ freies Schaustellerleben immer weniger geduldet war.
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