Donnerstag, 13. Januar 2011

Eine alte Porzellanschnecke - Erinnerung an meinen Onkel Oskar


Daß die abstoßenden Eigenschaften der Deutschen auch in der Vergangenheit viele sensible Menschen aus dem Lande treiben ließen, dies ist den wenigsten bewußt. Nicht erst seit der Machtergreifung der Nazis 1933 waren die besseren Deutschen die, die ins Exil gingen oder gehen mußten. Auch waren es die Besten und Aufrichtigsten die bis zum 13. August 1961 die rotfaschistische DDR verließen. Die Verhältnisse waren gerade für sensible Menschen unerträglich. Besonders schmerzte es, daß die Mehrheit der Deutschen autoritäre und brutale Regime und Gesetze immer sehr begrüßt hat. An dieser Mentalität hat sich bis heute nur wenig geändert, dies zeigt sich an dem ständigen Abbau von Freiheitsrechten seit etlichen Jahren, dem von der Mehrheit der Deutschen zugestimmt wird. Auch in der Weimarer Republik sah es nicht viel anders aus, republikanisch freiheitlich war nur eine kleine Minderheit gesonnen, unter der freiheitlichen Maske war der Ungeist autoritärer Kaiserzeiten mehr als lebendig, dieser Ungeist war Alltag. Seit 1850 wanderten hunderttausende Menschen aus diesem Deutschland aus, in Länder die damals freiheitlicher waren als ihre bisherige Heimat: USA, Australien, Kanada, Brasilien, Paraguay. In den 20er Jahren, nach dem 1. Weltkrieg, war es nicht so einfach aus dem Land rauszukommen, die typischen Einwanderungsländer hatten Bedenken viele Deutsche aufzunehmen, eine Folge des 1. Weltkriegs. Was aber tun, wenn Menschen die deutsche Mentalität und die deutschen Zustände nicht mehr ertrugen?

Ein Onkel von mir, Onkel Oskar, persönlich habe ich ihn nie kennen lernen dürfen, der war ein sensibler Junge, besonders nach dem frühen Tod seiner Mutter litt er unter der Lieblosigkeit seines Vaters Max, meines Urgroßvaters, und den deutschen kaltherzigen Zuständen. Als 15jähriger begann er eine Lehre und die war kein Zuckerschlecken. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – dieser typische die deutsche Mentalität des Tretens nach unten und des Katzbuckelns nach oben entlarvende Spruch, zeigte sich in krasser Form bei Oskar – Mobbing und Demütigungen waren bei dieser Lehre an der Tagesordnung und wie auch in heutiger Zeit die kleinsten Angestellten im öffentlichen Dienst oft am meisten die Bürger schikanieren, so waren es die Gesellen die ihn schikanierten. Oskar ertrug dies nicht! Die Lehre einfach hin schmeissen, dies ging nicht, so wie es auch heutzutage nicht geht einfach eine Lehre hin zu schmeissen. Drohen heute massive Sanktionen vom Arbeitsamt, so drohten damals Maßnahmen des autoritären Vaters. Die einzigste Möglichkeit die sich Oskar bot, war abzuhauen nach Hamburg, dort auf einem Schiff anzuheuern. Wäre dies heute noch möglich, daß ein 15jähriger von zuhause abhauen kann und auf einem Schiff anheuern könnte? Wohl kaum! 15jährige haben heute noch weniger Freiheitsrechte als in den 20er Jahren, die Bevormundung von Jugendlichen wird in Deutschland immer schlimmer, dies unter dem Deckmantel der Fürsorge.

Onkel Oskar heuerte in Hamburg bei einem brasilianischem Schiff als Küchenhelfer an. Bei einem deutschen Schiff anzuheuern, wäre möglich gewesen, aber dort herrschte ja im Kleinen die gleiche deutsche Mentalität wie im Großen. Onkel Oskar kam erst als Erwachsener wieder nach Hause, und auch da nur zu Besuch. Mittlerweile war er ein gefragter Schiffskoch geworden. Irgendwann schenkte er mal meiner Großmutter, seiner Schwester, die oben abgebildete Porzellanschnecke (die ohne das Ritzbild). Wenn ich als Kind bei meinen Großeltern war, dann legten sie mir diese Schnecke oft an mein Ohr, damit ich das „Rauschen des Meeres“ hören sollte, ein bekanntes Phänomen solcher Schnecken. Später kaufte ich mir mal noch eine zweite dieser Porzellanschnecken, die aber deshalb, weil ich das dort eingeritzte Bild der Bucht von Neapel mit dem Vesuv so interessant fand. Die einfache Porzellanschnecke aber, die wird mich zeitlebens an meinen Onkel Oskar erinnern, der mir schon deshalb sympathisch ist, weil er als sensibler und freiheitlicher Mensch mit den anderen Deutschen nicht mit marschierte.    

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