Samstag, 2. November 2019

Antiquitäten aus dem Besitz von Antoinette von Anhalt (1885-1963), 1. Teil

Antoinette von Anhalt als Kind, Tochter des anhaltischen Erbprinzen Leopold (1855-1886) und seiner Gattin Elisabeth von Hessen (1861-1955) ,geboren im Dessauer Schloß Georgium am 3.3.1885, gestorben in Dessau am 3.4.1963, verheiratet in Dessau am 26.5.1909 mit Prinz Friedrich zu Schaumburg-Lippe (30.1.1868 - 12.12.1945), 2 Kinder (Leopold, 1910-2006 und Wilhelm, 1911-1938)

Die Kunsthistorikerin Charlotte Timmling und meine Wenigkeit, damals Privatsekretär von ihr

Wie ich schon in einem früheren Posting schrieb, war ich einige Zeit Privatsekretär der Kunstwissenschaftlerin Charlotte Timmling, der Gattin des Malers, Kunsthistorikers und Lyrikers Walter Timmling. Ich lernte Charlotte Timmling erst nach dem Tod der Prinzessin Antoinette von Anhalt kennen, bin daher der Prinzessin nie persönlich begegnet, auch als Kind nicht, obwohl dies gut möglich gewesen wäre, denn die Prinzessin wohnte in Dessau in Nachbarschaft von Frau Timmling in der Mainstraße in Dessau-Ziebigk und ich nur ein paar Straßen entfernt. 

Frau Timmling war eine enge Freundin der Prinzessin, die im Nebenhaus in äußerst ärmlichen Verhältnissen lebte. 1945 wurde sie regelrecht aus dem Schloß Georgium geschmissen und nur wenige Sachen durfte sie damals mitnehmen, alles andere wurde enteignet. Mit einem Handwagen zog sie in eine kleine Wohnung nur wenige Meter vom Schloß Georgium entfernt, in die Mainstraße in Dessau-Ziebigk. 

Sie hatte noch Glück, daß der russische Kommandant ein feiner Mensch war, der ihr gestattete Bücher, einige Möbel und einige wenige Antiquitäten mitzunehmen. Er stellte zwei Soldaten zum Schutz der Prinzessin. Hätten die Russen sie nicht geschützt, wäre der Mob über ihre Habseligkeiten hergefallen, denn anfänglich drangen Deutsche in das Schloß ein und zerschlugen etliches an historischem Porzellan. Diesen Pöbel führten Dessauer Kommunisten an, Typen, die kaum Repressalien in der NS-Zeit zu erleiden hatten, da sie sich den NS-Herrschern angepaßt hatten, die aber bei den Russen vorstellig wurden und sich als Opfer ausgaben und darauf hinwiesen, daß sie vor 1933 Mitglied der KPD gewesen waren. 

Nun war es in Dessau leider so, daß die kommunistische Szene von primitiven grobschlächtigen Proleten bestimmt war, die keinen Sinn für Kunst und Kulturerbe besaßen. Doch dieser „rote“ Mob hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, sinnlose Zerstörungen ließen die Russen unter Oberst Romanjuk nicht zu. Mit Pöbel wollte er kein neues Dessau aufbauen. Trotzdem hatten diese Typen Einfluß darauf was die Prinzessin im Handwagen mitnehmen durfte. So berichtete sie, daß zwei deutsche Kommunisten und zwei russische Soldaten (Offiziere?) die Sachen kontrollierten und die zwei Dessauer Kommunisten amüsierten sich über den „Plunder“, den die Prinzessin mitnehmen wollte und gaben ihr okay. Diese ungebildeten kulturlosen Typen sahen z.B. antikes Porzellan als wertlos an und amüsierten sich über die „olle Prinzessin“ und ihren „Plunder“. Einer dieser Typen soll geäußert haben, daß er solch Zeug nur für den Polterabend benutzen würde, zum zerschlagen. 

Diese Kulturlosigkeit konnte man noch einige Jahre nach Kriegsende bemerken, so hängten die Dessau-Mosigkauer Bauern wertvolle alte Meister aus dem Schloß Mosigkau mal an die Bäume des Schloßparks, rein aus Gaudi. Dies war zu der Zeit als im Schloß Mosigkau eine „Schule für Erziehungshelferinnen“ dort ihr Unwesen trieb. Erst 1951 wurde der Kulturlosigkeit Einhalt geboten und Schloß Mosigkau zum Museum ernannt und die Schule mußte aus den Räumen weichen.

Eine Rente wurde der Prinzessin nicht gezahlt, auch Sozialhilfe oder etwas ähnliches bekam sie nicht vom Staat. Wäre sie nicht von Freunden wie Dr. Popp oder Frau Timmling und der Kirche unterstützt worden, wäre sie verhungert. Die Prinzessin Antoinette war eine tüchtige Frau, sie war sehr gebildet, aber hatte keinen Standesdünkel. Um zu existieren tapezierte und malerte sie sogar in der Nachbarschaft die Wohnungen gegen ein kleines Salär, wie mir Frau Timmling glaubhaft berichtete. Diese inhumane Behandlung einer Frau die sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, war kein Ruhmesblatt der neuen Machthaber nach 1945. Deren Enteignung der großen Güter und Besitzungen des Adels war zwar prinzipiell richtig im Sinne des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft, aber diese persönliche Schikane, mit der Absicht die physische Existenz eines Menschen zu vernichten, war verachtenswert und inhuman.

Frau Timmling kaufte ihr im Laufe der Zeit die meisten der Antiquitäten ab, damit die Prinzessin überleben konnte. Ich wiederum kaufte Charlotte Timmling einige der Dinge ab, da sie im hohen Alter sich von diesen trennen wollte.

In einer kleinen Reihe möchte ich diese kleinen Antiquitäten vorstellen, die ihren besonderen Reiz darin haben, aus dem Besitz der Prinzessin zu stammen.


   
Mein Lieblingsstück aus dem früheren Besitz der Prinzessin Antoinette ist eine kleine Porzellanschale von 1780 aus der französischen Porzellanmanufaktur Sèvres, der besten Porzellanmanufaktur Frankreichs in dieser Zeit. Der Sockel besteht aus drei Delphinen. Man muß dazu wissen, daß der französische Thronfolger als Dauphin (Delphin) bezeichnet wurde. Die Schale selbst ziert ein wundervoller Vogel, natürlich handgemalt, wie alles Porzellan in dieser Zeit. Auch wenn ich die Provenienz nicht kennen würde, würde ich dieses Stück trotzdem ehren, ist es doch ein kleines ausgewogenes Kunstwerk, schlicht im Stile Louis-Seize (vorrevolutionärer Klassizismus), ohne pompösen Schnickschnack und darum edel.


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