Donnerstag, 8. Oktober 2020

Erinnerung an das Fotogeschäft meiner Tante Marianne Kentschke in Dessau-Ziebigk

Das Haus mit dem Laden "Photo-Kentschke", allerdings als das Foto-Geschäft schon nicht mehr drin war

Alter Stempel von "Photo-Kentschke"

Der Grundstein für meine Karriere als Bildreporter bei der "Liberal-Demokratischen Zeitung"  (http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil.html , 

http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil_21.html

http://barrynoa.blogspot.com/2009/10/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil.html) wurde bei mir schon in der Kindheit gelegt und zwar durch meine Tante Marianne Kentschke (später: Fänder), die ein Fotogeschäft in Dessau-Ziebigk (Kornhaus-Straße) hatte, welches ich toll fand. Ich kann mich noch heute an jeder Einzelheit in diesem Geschäft erinnern, den Laden mit seinen Regalen aus hellem Holz mit Fotoapparaten und Fotoutensilien, die Verkaufstheke, und ging man 3 steile Stufen vom Verkaufsraum hoch, dann kam man in das Büro meiner Tante Marianne, wo gleichzeitig die Papierfotos geschnitten wurden und wo Negativfilme an Schnüren hingen, die getrocknet wurden. Ein weiterer Raum schloß sich an, wo Frau Keum, eine entfernte Verwandte, in der Dunkelheit saß, nur durch eine rote Lampe erhellt, die dort die Dunkelkammerarbeiten durchführte. 

Meine Tante war keine ausgebildete Fotografin und ein Foto-Atelier war ihr Geschäft auch nicht, sondern dort wurden hauptsächlich die Fotos der Bürger entwickelt, die sie dort abgaben oder Filme und Fotoapparate verkauft. Meine Tante kam zu diesem Geschäft durch ihren Mann, meinem Onkel Paul Kentschke, der nach dem Krieg dieses Geschäft mit seiner ersten Frau eröffnet hatte und damit viel Geld verdiente. Daß es ihm gut ging, zeigte sich daran, daß er ein Haus auf dem Knarrberg, wo auch ich wohnte, kaufen konnte, sehr gut einrichten konnte und sich ein Auto leisten konnte, was Anfang der 1950er Jahre kaum jemand konnte. Durch eine verschleppte Blinddarmentzündung - der Arzt hatte ihn abgewimmelt, trotz großer Schmerzen - verstarb er 1954 und meine Tante erbte Haus, Auto und Geschäft und führte dieses weiter.

von links nach rechts: Paul Kentschke, meine Oma und das Ehepaar Bönicke, Inhaber des Lebensmittelgeschäfts Bönicke in Dessau-Törten, im Hof meiner Großeltern, dem Haus wo ich noch immer wohne (Aufnahme aus dem Jahre 1952)

Meine Tante Marianne, tanzend mit unserem vietnamesischen Freund Vien, bei einer Party in ihrem Haus (neben ihr ich als 11jähriger beim Twist)

Zu Vien siehe auch:


Anfang der 1960er Jahre wurde meine Tante von staatlichen Stellen immer mehr gedrängt sich der staatlichen HO (Handels-Organisation) anzuschließen. Der Druck wurde immer größer, so daß sie sich dem nicht entziehen konnte. Im Gegensatz zu ein paar anderen Fotogeschäften in Dessau, die mit dem Staat eng verbunden waren (man munkelte Stasileute *) bekam sie ein paar tausend Mark und eine Anstellung als Leiterin in ihrem ehemals eigenen Geschäft. Die Lettern „Photo-Kentschke“ wurden abmontiert und das Geschäft hieß fortan „HO-Photo-Optik Dessau-Ziebigk".

* (In der Bevölkerung war es ein offenes Geheimnis, daß nur wer bei der Stasi war oder eng mit ihr zusammen arbeitete einen privaten Laden oder ein privates Gewerbe behalten durfte. Ebenso war es mit den Leuten die neu ein privates Gewerbe bekamen, über das nicht das Gewerbeamt entschied, sondern die Stasi!) 

Auf Druck einer mit den Staatsorganen eng verbundenen privaten Foto-Handlung in Dessau schloß nach wenigen Jahren die HO das Geschäft meiner Tante. Diese private Fotohandlung wollte eine unliebsame Konkurrenz los werden. Damit hatte meine Tante nicht gerechnet, daß sie so von der HO übers Ohr gehauen wurde. Sie hatte fest damit gerechnet, daß sie in ihrem früheren Laden alt werden würde. Sie mußte sich dann völlig andere Arbeit suchen. Ihrem zweiten Mann, dem Fotografenmeister Fritz Fänder, ging es ebenso. Auch sein Fotogeschäft, mitten in der Stadt gelegen, wurde erst in die HO überführt und dann geschlossen. Auch da steckte wahrscheinlich besagte private Fotohandlung dahinter, die nur zwei Häuser weiter nun ohne die lästige Konkurrenz tüchtig aufblühte. 

Ich ging gern in das Foto-Geschäft meiner Tante. Mich faszinierten die Fotoapparate, die Arbeit mit den Filmen, das Schneiden der Fotos, die Dunkelkammer.

Ich am 8. August 1961 vor der Tür zur Dunkelkammer



Ich am 20.12.1961 im Büro des Fotogeschäftes "Photo-Kentschke", (Schreibtisch meiner Tante), Man beachte die herzförmigen Flicken auf meiner Hose, denn damals wurde Bekleidung wenn sie kaputt war, noch repariert!


Am Fenster, an ihrem Schreibtisch, saß meine Tante und rauchte Kette, immer die Marke „Carmen“, das hat sich bei mir stark eingeprägt. 

Das Foto-Geschäft befand sich in einem Haus, welches im Krieg in den oberen Etagen Bombenschäden hatte und die Besitzer, eine Ehepaar Tuchel, wohnten im Garten in einem kleinen Gartenhäuschen und denen war die Miete für den Laden sehr wichtig. 

Meinen ersten Fotoapparat, eine „Perfekta II“ kauften meine Eltern natürlich bei meiner Tante, siehe dazu diesen Blogbeitrag:

http://barrynoa.blogspot.com/2008/04/ein-altes-fotoalbum.html


Es wird wohl wirklich so sein, daß meine Kindheitserinnerungen an das Foto-Geschäft meiner Tante mit ausschlaggebend waren, daß ich als junger Mann mich der Fotografie auch beruflich zuwandte, zumindestens in den Anfangsjahren meiner beruflichen Laufbahn.  

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