Montag, 29. Juni 2020

Dr. Gunter Bleibohm: Zitate aus seinen Büchern (31)



Die Welt braucht eigentlich nur diese obigen 3 Bücher von Dr. Gunter Bleibohm, dem so einzigartigen genialen Philosophen, der ganze Heerscharen von einfältigen „Denkern“ in den Schatten stellt. In loser Reihe möchte ich Zitate aus seinen Büchern bringen, die nicht leicht verdaulich sind, die aber im Gegensatz zu dem üblichen sonstigen Mummenschanz was an Philosophie den Menschen vorgesetzt wird, ungeschminkte und ungeschönte Realität sind.



Stufen der Freiheit
      

Worin die Freiheit besteht, fragst du? Nichts Macht über sich gewähren, keinem Zwang, keinem Zufall, und das Schicksal mit Gleichmut ertragen.

Seneca, Epistulae morales 51,9


Freiheit, Freiheit, immer wieder der Ruf nach Freiheit. Forderungen nach Freiheit für diesen und jenes. Endlose Wiederholungen, immerwährend, überall. Aber wisst ihr, was ihr fordert? Was für eine Freiheit wollt ihr? Welche Freiheit für wen, für was, warum, wozu? Seid ihr fähig, seid ihr stark genug, Freiheit zu ertragen? Wisst ihr, dass Freiheit auch eine fürchterliche Glut sein kann, die euch verzehrt, auffrisst, zur Verzweiflung treibt? Man muss der Freiheit gewachsen sein, man muss ihre zerstörende Wirkung aushalten, man muss in der Lage sein, Freiheit zu leben. 

Wenn ihr meint, ihr seid frei, wenn ihr im eigenen Land ungehindert leben könnt, wenn ihr alle paar Jahre eure Meinung durch das Kreuz auf einem Wahlzettel kundtun dürft, wenn ihr euer Land verlassen dürft, wenn ihr nicht eingekerkert seid, wenn das euer Begriff von Freiheit ist, dann seid ihr wahrhaftig frei, aber auf der niedersten aller denkbaren Stufen. Es mag euch genügen, es soll euch auch genügen, ihr bescheidenen Seelen, ihr anspruchslosen Menschvarianten. Eure innere Leere und Langeweile vertreibt ihr mit euren medialen Spielchen, mit Smartphone und viel Spaß, ihr Unfreien, ihr Abhängigen. Aber eure Genügsamkeit ist der Boden, auf dem euer Staat, eure Religion Herrschaft und Unterdrückung sät. Und eure Bescheidenheit ist auch eure signifikante Bescheidenheit im Handeln. Ihr freut euch über eure kleine Freiheit, seid zufrieden aber merkt nicht einmal, wie pervers ihr diese kleine Freiheit handhabt. Ist es euch schon einmal in den Kopf gekommen, die körperliche Freiheit, die euch so existentiell wichtig ist, auch euren Mitlebewesen zu gewähren? Könnt ihr euch vorstellen, dass die körperliche Freiheit auch dem Verlangen von Tieren entspricht, Tiere, die ihr Freiheitsfanatiker gnadenlos einsperrt. Eure Freiheit ist ohne Moral, es ist die Freiheit von bewusstseinsgespaltenen Menschwesen!

Ihr lechzt nach Freiheit und merkt dabei nicht, wie ein Großteil von euch sich durch religiöse Phantasien wieder in Ketten legen lässt. Die zuvor beschriebene Freiheit ist die Freiheit eines Staates – primär eines westlichen Staates – die ihr selbst konterkariert, indem ihr euch durch Religionen knechten lasst. Oder ist es Freiheit, wenn der Moslem fünfmal am Tag den Kopf auf den Gebetsteppich drückt, oder ist es Freiheit, wenn der Christ den Rosenkranz bis zur Besinnungslosigkeit betet, oder ist es Freiheit, wenn der Jude mit seiner Kippa auf dem Kopf darauf achtet, dass er das richtige Geschirr verwendet? Meint ihr wirklich, ihr habt Freiheit verdient, wenn ihr sie leichtfertig auf anderen Gebieten für Glaubenshalluzinationen opfert? Ihr redet von Freiheit und liebt heimlich die Unterdrückung, die Unterwerfung, die Autorität, die euch mit absurden Regeln  Unfreiheit diktiert.

Manche von euch erweitern dann diese kleine Freiheit, indem sie finanzielle Freiheit dazurechnen, sie fühlen Freiheit, wenn sie ökonomisch unabhängig sind, wenn das Leben frei von materiellen Sorgen ist. Selbst diese kleine Erweiterung der Freiheit aber überfordert schon einen Großteil von euch, denn sie wird dazu missbraucht, um alle Errungenschaften und Segnungen eines unbeschränkt vorhandenen Warenangebots zu nutzen, um sich gegen die Masse der Habenichtse abzugrenzen, um das eigene Selbstbewusstsein zu stabilisieren. Selbstbewusstsein und Konsum sind bei euch Synonyme. Welch kleiner Geist tritt dadurch zutage, aber ihr merkt es nicht, ihr fühlt es nicht, denn euer Empfinden ist stumpf, wohlstandsverstopft und ökonomieverdummt.

Die nächste Stufe auf der Leiter der Freiheit erklimmen nur noch wenige von euch, sie gelten schon als Ausnahme, teils als Sonderlinge, teils als Wesen, die es zu meiden gilt, teils als Exzentriker oder wohlwollend – was selten ist  - als Intellektuelle. Es ist die verschwindende Minderheit von Menschen, die abseits des üblichen Meinungsstroms existieren, die ihr Leben, ihr Denken selbst gestalten, gestalten wollen, die Skeptiker des Zeitgeistes. Es sind die Menschen, die von der Demokratie gerne aussortiert werden, sollten sie sich einmal dazu hergeben, Standpunkte gegen die Staatsdoktrin oder gegen die geistbeherrschende Pflichtmetaphysik zu vertreten.

Das Kennzeichen eurer Demokratie ist Quantität und weniger Qualität. Ihr seid stolz darauf, gewohnt zu zählen und entwöhnt zu gewichten. Merkt ihr eigentlich, dass ihr den Bazillus der Niedrigkeit, der Mittelmäßigkeit damit züchtet. Nein, ihr merkt es nicht, ihr wollt es nicht merken, aber was das Schlimmste ist, ihr könnt es nicht merken, euer Denken ist kastriert.

Die geschilderten drei Stufen der Freiheit sind das Fundament der Freiheitspyramide, sie sind die Basis, die den körperlichen, den äußeren Teil des Freiheitsbegriffs abdeckt. Es ist schön und angenehm, wenn man zumindest die erste Stufe hat, es erleichtert das Leben, aber die Freiheit eines Individuums, die wahre Freiheit, die das Wesen immer begleitet, stützt und kaum wegnehmbar ist, findet sich nur im Bewusstsein.  Die innere Komponente der Freiheit ist nicht durch Forderungen realisierbar, sie ist nicht einklagbar, sie kann nicht vorgegeben werden, sie muss gewollt sein, mühsam erlernt und erarbeitet werden. Es ist ein selbstgewähltes Gesetz des Wollens, ein Streben nach Erkenntnis, das man über seinen Lebenslauf hängen muss, das man befolgt, freiwillig, ungezwungen.

Auf den ersten Stufen sind es die stoischen Prinzipien der Selbstbeherrschung, der Selbstentwicklung, das mühsame Klettern auf der Leiter der praktischen Philosophie. Wer die Stufen dieser Treppe betritt, hat einen schweißtreibenden, ernüchternden und anstrengen Weg vor sich, einen Weg voller Rückschläge und Enttäuschungen. Wer die ersten Stufen gegangen ist, wer die Leidenschaften und Begierden seines Willen und Wollens kanalisiert und beherrscht, wer Macht, Reichtum, Armut aber auch Zorn kontrolliert oder gar zu verachten gelernt hat, der ist der Freiheit ein wesentliches Stück näher gekommen. Freiheit ist auf dieser Stufe abgekoppelt von Außendingen. Das Freiheitsstreben richtet sich auf die innere Zufriedenheit, auf die Seelenruhe, wie es die Stoiker nannten, auf den Gleichklang zwischen Denken und Sein, auf die Akzeptanz der täglichen kleinen und großen Schicksalszufälligkeiten, auf die Erkenntnis, welchen realen Stellenwert die eigene Existenz in der Welt, in der Natur, im Universum, im gesamten Sein hat. Die demütige und klaglose Einordnung in Schicksal und Geschehen. 

Merkt ihr, fühlt ihr, könnt ihr überhaupt noch spüren, wie weit die beobachtbare Tierwelt euch allein in diesem Punkt überlegen ist, wie weit ihr mit eurer pervertierten Hybris und eurem vernichtenden Anthropozentrismus euch von der Freiheit entfernt habt?
Erst wer seine Position in diesem Umfeld gefunden und verinnerlicht hat, kann die nächsten Stufen auf der Freiheitsleiter in Angriff nehmen. Es geht um nichts weniger auf dieser Stufe, als von der Angst vor Krankheit, Tod und Leiden frei zu werden. Ein nahezu unmögliches Unterfangen, aber ein Ziel, das anzustreben bleibt, ist doch die Stimme des Körpers oftmals lauter als die Stimme des Wollens und Sollens.

Die höchste Stufe menschlicher Freiheit besteht jedoch in der Fähigkeit, den Willen zum Leben, den stärksten aller Triebe - jedes Lebewesens und insbesondere des Menschen - gegebenenfalls negieren zu können, nicht aber negieren zu müssen! Es ist die Möglichkeit – und nur der Mensch hat diese Alternative - das Diktat der Geburt, die Zwangseinweisung in die Existenz zu widerrufen und den Lebens- und Leidensbefehl zu revidieren. Erst wer gezielt und ungezwungen, mental und real über seine eigene Existenz von Sein und Nichtsein die volle Entscheidungsgewalt hat und jederzeit bereit ist, diese Möglichkeit zu nutzen, hat die höchste Stufe der Freiheit erklommen. Wer den Willen zum Leben negieren kann, der schaut aus sicherer Warte auf die Fährnisse des Seins und alle Unwägbarkeiten des Lebens zerschellen an dem Felsen der höchsten Freiheit, an der Möglichkeit, jederzeit das Sein gegen das Nichts zu tauschen.

Versteht man mich? Verseht ihr die unterschiedlichsten Facetten und Abstufungen der Freiheit? Politische, soziale und kulturelle Freiheiten sind immer und in jedem Fall nur eine Teilerscheinung der großen Freiheitsidee, diese Idee die eine sengende, aber wärmende Glut in Herz und Verstand ihrer einsamen und seltenen Kinder werfen kann.



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